Würdest du dein Kind für etwas bestrafen, das es noch nicht kann?
Stell dir vor, dein 3 Monate altes Baby kann noch keine Karotten essen. Kein Wunder – es hat ja noch keine Zähne. Oder dein 9 Monate altes Kind kann noch nicht laufen. Auch das ist klar, denn die Muskeln und motorischen Fähigkeiten sind noch nicht vollständig entwickelt.
Warum bestrafen wir dann oft ein 5-jähriges Kind, das seine Wut oder seinen Frust nicht kontrollieren kann? Es ist wichtig zu verstehen, dass auch diese Fähigkeit eine Entwicklungsstufe braucht, die das Gehirn erst mit der Zeit erreichen kann.
Die Rolle des Gehirns in der Emotionsregulation
Im Gehirn ist der präfrontale Cortex für das vorausschauende, planbare Denken und die Selbstregulation zuständig. Dieser Bereich, der sich direkt hinter der Stirn befindet, ist erst mit etwa 28 Jahren vollständig ausgereift. Bis zu einem Alter von 8 Jahren übernimmt häufig die Amygdala – der Teil des Gehirns, der für emotionale Reaktionen und Überlebensinstinkte verantwortlich ist – die Kontrolle.
Das bedeutet: Kleine Kinder handeln in stressigen oder frustrierenden Momenten impulsiv und instinktiv. Sie haben noch nicht die neurologischen Voraussetzungen, um ihre Gefühle eigenständig zu regulieren. Diese Fähigkeit entwickelt sich erst schrittweise über Jahre hinweg.
Warum Strafen nicht helfen
Wenn wir Kinder für ihre Wut, Trotz oder Frustration bestrafen, überfordern wir sie. Wir erwarten von ihnen, dass sie eine Fähigkeit einsetzen, die ihr Gehirn noch nicht leisten kann. Strafen wie Ignorieren, Schimpfen oder Konsequenzen führen nicht dazu, dass Kinder lernen, sich selbst zu regulieren – sie verstärken oft nur das Gefühl von Hilflosigkeit und Isolation.
Wie wir Kinder unterstützen können
Statt zu strafen, können wir Kinder dabei begleiten, ihre Gefühle zu verstehen und besser damit umzugehen. Folgende Ansätze helfen:
- Verständnis zeigen: Erkenne an, dass dein Kind in dem Moment überwältigt ist. Sag zum Beispiel: „Ich sehe, dass du wütend bist. Das ist okay.“
- Gefühle benennen: Hilf deinem Kind, seine Emotionen zu verstehen, indem du sie in Worte fasst: „Du bist gerade traurig, weil du das Spielzeug nicht bekommen hast.“
- Alternativen vorleben: Zeige deinem Kind, wie es mit Frust oder Ärger umgehen kann. Atme gemeinsam tief durch oder schlage vor, die Wut mit einem Kissen auszudrücken.
- Zuwendung geben: Gerade in schwierigen Momenten brauchen Kinder Nähe und Sicherheit. Ein ruhiges Gespräch oder eine Umarmung können Wunder wirken.
Unser Vorbild zählt
Kinder lernen vor allem durch Nachahmung. Wenn wir als Eltern oder Bezugspersonen mit unseren eigenen Emotionen geduldig und verständnisvoll umgehen, geben wir ihnen ein positives Beispiel.
Fazit
Kinder bestrafen, weil sie ihre Gefühle nicht kontrollieren können, ist wie ein Baby dafür zu bestrafen, dass es noch nicht laufen kann. Die Fähigkeit, Frust und Wut zu regulieren, ist ein Lernprozess, der Jahre dauert. Mit Liebe, Geduld und Verständnis können wir ihnen dabei helfen, diese wichtige Fähigkeit zu entwickeln – und eine starke, vertrauensvolle Bindung zu uns aufbauen.
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